»Orpheus, vor mir die Flut« spiegelt das damalige Jahrhunderthochwasser 2013 in Lauenburg wider, das mich unmittelbar selbst betraf. Zu Mitschnitten, die ich vor meiner Evakuierung machte, gesellten sich Aufnahmen, an welchen ich in meinem Hamburger „Exil“mit der Schauspielerin Deborah Mock arbeitete, die ein Tagebuch ihrer Nacktheit anlegte.
Die Idee dieser Arbeit bezieht sich darauf, nicht mit abstrakten, metaphorischen Bildern auf Nacktheit zu verweisen, sondern die Nacktheit selbst als Verweis heranzuziehen. Eine Nacktheit, die nur mit sich ist: darstellungslos sich auf sich selbst beziehend will sie nur für sich sein können. Mir war es wichtig, einen nahezu makelosen Körper zu zeigen.
Aus diesem Videomaterial habe ich dann die vorliegende Filmcollage entwickelt, in welcher es thematisch um die Flut und deren Unbeugsamkeit geht: Einmal in Gang, ist sie kaum mehr aufzuhalten. So auch die Flut des Voreingenommenseins; verursacht von zuerst harmlos anmutenden klischierten Meinungen und Vorurteilen, steigert sie sich rapide in ein alles-verschlingen-wollendes moralisches Ungetüm. Gerade bei Nacktheit schlägt die Assoziationsgewalt leicht über die Strenge, und scheint darauffolglend alles unter sich begraben zu wollen, was nicht ihrer Vorstellungswelt entspricht. Die Nacktheit, ist ihr Antlitz einmal vollständig entblöst, scheint nicht mehr in der Lage, sich vorbehaltlos und natürlich verhalten zu können. Und ihre Schönheit fällt dem Getöse des Vorurteils sowie der pevertierten Betrachtung zum Opfer.
Beide Fluten sehe ich als Urgewalten, deren Zustandekommen nur durch einen unnatürlichen, bigotten Umgang damit hervorgerufen wurde. Weder Vorstellungen noch Flüsse sollten begradigt werden. Sehnt man sich nach deren „Wassern“, sollte man sich mit Bedacht nähern.